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Narzissmus und Patriarchat

 

 

Narzissmus ist ein immer weiter verbreitetes Phänomen – vom sogenannten „gesunden“ bis zum krankhaften Narzissmus – und der ist das (hoffentlich) letzte Aufbäumen des Patriarchats. Das Patriarchat ist aber nicht bloß eine Sache der herrschenden Männer, sondern auch der Frauen, die – wie die Männer – diese Macht mit Liebe verwechseln.

 

Narzissmus und Patriarchat gehören zusammen. In beiden geht es um Macht statt Liebe. Narzisstische Männer verwechseln diese Macht mit Liebe - und sie bringen ihre Partnerinnen dazu, diese Macht ebenfalls als Liebe zu erleben. Frauen fühlen sich von Narzissten geliebt, obwohl die gar nicht wissen, was Liebe ist.

 

Natürlich sind nicht alle Männer Narzissten und nicht alle Frauen verwechseln deren Macht mit Liebe und lassen sich damit gerne beherrschen und benützen, aber man kann am Extrem das Prinzip – des Patriarchats wie des Narzissmus – genauer beschreiben. 

 

Verwechslung von Macht und Liebe

Im Patriarchat wie im Narzissmus geht es um Macht. Der Narzisst schafft es mit seinem Charisma, diese Macht als Liebe zu verkaufen. Und solange auch die Frauen das als Liebe erleben (wollen), diese Macht ihrerseits mit Liebe verwechseln, weil sie sich ja danach sehnen, sind sie nicht nur geblendet, sondern mit dieser Verwechslung zementieren sie ihrerseits auch das Patriarchat.

 

Daher sagt Erich Neumann, dass in einer nachpatriarchalen Gesellschaft – in der es um Beziehung auf Augenhöhe geht – die Frauen ihr (archetypisches) Männerbild aufgeben müssen. Frauen sind nach Neumann die umfassenderen Geschöpfe, sie verlieren ihre Beziehung zum Ganzen, zur ursprünglichen Einheit, nie komplett. Daher erleben sie auch das Männliche als Unendliches (das das Männliche konkret nicht ist, weil es sich vom Ganzen abspalten musste), damit als Überwältigendes, Eindringendes, Machtvolles, als Schutz und Stärke. Die mögliche Nebenwirkung ist, dass sie Macht mit Liebe verwechseln (wollen). Sie sehnen sich nach dem Überwältigenden (das dem Mystischen nahekommt), und verwechseln es oft mit platter Machtausübung. Das ist nicht die Beziehung auf Augenhöhe, die sich beide innerlich wünschen.

 

Männliche und weibliche Entwicklung

Die Ureinheit wird als weiblich erlebt – das Kind (männlich wie weiblich) lebt zunächst in der Symbiose mit der Mutter. Um ein Ich zu entwickeln und bewusst zu werden (Bewusstsein ist symbolisch männlich, das Unbewusste, aus dem es sich emanzipieren muss, ist weiblich), muss es sich ais der Ur-Einheit lösen. Als auch weiblich muss sich das Mädchen dabei nicht ganz von der Mutter abgrenzen, es verliert damit die Verbindung zur Ur-Einheit nie ganz. Das Männliche muss sich dagegen abgrenzen, um zu sich zu kommen. Es wird dadurch Fragment, während das Weibliche dem Ganzen verbunden bleiben kann.

 

Das Männliche ist Opfer seines Fragmentierens, das als Entwicklung des Bewusstseins notwendig ist. Das Ganze bleibt aber fremd. Daher das Klischee, dass Männer Frauen nie verstehen können. Umgekehrt aber genauso: Für Frauen ist die männliche Reduktion auf das Fragmentarische genauso unverständlich.

 

Die mögliche Nebenwirkung ist, dass Mann sich mit dem Weiblichen nicht vereint, sondern auseinandersetzt, es im Extremfall unterdrückt, instrumentalisiert, bemächtigt, als Gegenstand betrachtet, den man besitzt. Die Gefahr ist, sich in die körperliche Vereinigung zu „verlieben“ und nicht in die Person als Ganze. Die Frau fühlt sich aber geliebt, weil auch sie diese Macht mit Liebe verwechselt. Weil sie schon das geringste Zeichen von Berührung als seelisch empfindet, was es oft nicht ist. Aber sie klammert sich wie an einen Strohhalm an diese Illusion. Sie redet dann vom Patriarchat als Feindbild – und „50 Shades of Grey“ wird zum Welterfolg. Sie vermisst, dass Männer Gefühle zeigen – aber der Softy ist dann doch abwertend gemeint und hat auch im Ernstfall gegen den Macho meist keine Chance. Macht ist oft attraktiver als Liebe, könnte man resignierend sagen.

 

Ausblick ins Nach-Patriarchat

Das ist absichtlich als schwarz-weiß dargestellt, um zu zeigen, dass es im Patriarchat nicht nur die bösen Männer sind, sondern dass auch die Frauen das Patriarchat aktiv am Leben erhalten. Und es ist auch keine Schuldzuweisung, sondern das Patriarchat ist als Entwicklung des (symbolisch männlichen) Bewusstseins ein notwendiges Stadium der Evolution. Nur wäre es an der Zeit, dass sich sowohl Männer als auch Frauen damit auseinandersetzen und von ihrer archetypischen Schattenrolle zu einer Beziehung auf Augenhöhe finden.  

 

Männer müssten bewusst auch ihre weibliche Seite entdecken, leben und integrieren, und Frauen müssten realisieren, dass sie oft nur die Projektion ihrer inneren Männlichkeit lieben, die nicht immer etwas (und manchmal gar nichts) mit dem konkreten Mann zu tun hat.

Männer müssten aufhören, ihr Frauenbild zu fragmentieren – in Hure, Heilige und vieles dazwischen – und Frauen müssten aufhören, in Männern etwas überwältigend Ganzes zu sehen, dass sie konkret (noch) nicht sind.

 

Und – damit sind wir wieder beim Patriarchat – Männer müssten ihre Machtspiele aufgeben, die sie (erfolgreich) als Liebe verkaufen, und Frauen müssten damit aufhören, diese Machtspiele als Liebe zu erleben und Macht mit Stärke zu verwechseln. In narzisstischen Beziehungen kommt beides zusammen: Narzissmus und Patriarchat – immer geht es um Macht und nicht um Liebe! Beides zementiert das Patriarchat, beides torpediert eine Beziehung auf Augenhöhe, zu der das Nach-Patriarchat hinsteuern muss. Und viele sind auch schon dahin unterwegs…