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Machen, Macht, Magie - Das Charisma der Narzissten

 Wir scheinen heute, was die Außenwelt betrifft, in einem technischen Zeitalter, und was die Innenwelt und Beziehungen betrifft, in einem narzisstischen Zeitalter zu sein. In beiden Aspekten geht es um Machen, Macht und Magie. Das ist bestenfalls eine zaghafte Weiterentwicklung, in anderer Hinsicht ein Steckenbleiben in einer frühen Phase der Menschheitsgeschichte und der Individualentwicklung.

 

Die magische Phase der Menschheit und der eigenen Entwicklung

In dieser frühen Phase sind Realität und Phantasie (Empfindung und Intuition in der Sprache Jungs) noch nicht getrennt. Objekte sind noch „belebt“, die Natur ist voller Dämonen – ohne dass noch bewusst wäre, dass das Projektionen aus dem Unbewussten sind. Jean Gebser bezeichnet das als die magische Phase der Menschheit. Durch Magie und Ritual wird versucht, die Natur zu beherrschen – die äußere wie die innere, die noch vermischt sind. Jedes Kind durchlebt in seiner frühen Entwicklung diese Phase ebenfalls.

 

In der Folge werden Realität und Intuition/Phantasie getrennt, letztere dann aber (als Abwehr) abgetrennt, verdrängt und verleugnet, weil schwieriger zu beherrschen, und weil noch die Gefahr besteht, dass Realität und Fantasie, Empfinden und Intuieren, wieder in die ursprüngliche Undifferenziertheit zurückfallen. Das führt in den Materialismus, der alles Geistige/Intuitive verdrängen muss. Alles konzentriert sich dann auf die Beherrschung der Außenwelt mittels Technik. In dieser Phase befindet sich heute die Mehrheit (im statistischen Mittel).

 

Eine Minderheit – die allerdings immer größer wird – befasst sich auch schon mit der Beherrschung der Innenwelt. Die Okkultismuswelle um 1900, die Yogawelle der 1960er und 1970er Jahre mit Zwischenstufen bis zur aktuellen Achtsamkeitswelle. Aber meist geht es auch hier um Beherrschen, Macht und um das Charisma der „Gurus“, um das Beherrschen einer Technik – wodurch das angestrebte Ziel der Einheit, des sich Einfügens in ein größeres Ganzes (in das Selbst) gerade nicht erreicht werden kann. Das mündet dann sehr oft in einen „spirituellen Materialismus“ (Chögyam Trungpa).

 

Entwicklung der Individualität

Andererseits geht es darum, dass der Mensch aus der Kollektivität heraustritt und sein Ich, seine Individualität entwickelt. Den entscheidenden Schritt zeigt das erstmalige Auftreten der Porträtmalerei in der Renaissance auf. Der Mensch beginnt, sich selbst in den Blick zu nehmen. Bei vielen führt das aber nicht zum Entdecken der Einmaligkeit der Individualität, sondern zu einem aufgeblähten Ego. Egoismus, Egozentrik, Ich-AG und Narzissmus sind die entsprechenden Schlagworte. Manche Psychologen sprechen schon von einem narzisstischen Zeitalter. Aus einer notwendigen Phase – der Entwicklung des Ich – wird oft eine einseitige Überbetonung des Ego unter Verdrängung des Selbst (der größeren Ganzheit), sodass das Ziel, die Individuation (Selbstwerdung) nach Jung noch gar nicht in den Blick kommt.

 

Manche sprechen sogar von einer Narzissmus-Epidemie. Das heißt noch nicht, dass die meisten Menschen Narzissten wären, sondern dass das narzisstische Spektrum ein Übergewicht aufweist. Es gibt einen gesunden Narzissmus (wenn man das so bezeichnen will), der mit Selbstachtung zu tun hat, und einen krankhaften, malignen Narzissmus, der eine massive Persönlichkeitsstörung darstellt.

 

Narzisstische Persönlichkeitsstörung

Letzterer ist eine Regression, ein Rückfall oder ein Verbleiben in einer frühen Stufe der Entwicklung, in der das Fühlen und Denken noch sehr rudimentär und undifferenziert sind, und in der es um Magie, Machen und Macht (im Empfinden, im Materiellen) geht. Die Magie des Narzissten ist sein Charisma, sein anfangs gewinnender Charme. Der steht aber im Zeichen der Macht und Manipulation – was sich in einer Beziehung sehr bald herausstellt. Sein Charme ist Berechnung und dient letztlich dem Beherrschen und Unterwerfen. Diese frühe Phase der Entwicklung kämpft mit einer Ich-Schwäche und sozialer Blindheit. Dadurch fehlt ihm jegliche Empathie und Liebesfähigkeit. Ein Narzisst liebt niemanden, nicht einmal sich selbst.

 

Ein Narzisst muss sich krampfhaft auf ein Podest stellen, was er nur dadurch schafft, dass er den anderen niedermacht, unterdrückt und manipuliert. Was anfangs durch sein Charisma als Liebe erscheint, entpuppt sich sehr schnell als Macht. Er selbst ist empathie- und lieblos, und er spielt mit den Gefühlen des anderen. Durch sein Katz- und Maus-Spiel, dem raschen Wechsel von unflätigen Beschimpfungen und gespielten Gefühlen (Narzissten sind die perfekten Schauspieler), gelingt es ihm, den anderen zu manipulieren und Macht zu gewinnen. Der wird niedergemacht, dann gnädig emporgehoben und wieder fallengelassen. Durch diesen Wechsel von Hell und Dunkel (ohne Zwischenstufen), wird der andere, auch wenn das Dunkel überwiegt, von den hellen Phasen magisch angezogen, konditioniert und abhängig.

 

Wenn man genauer schaut, entpuppt sich jegliches scheinbare Gefühl als berechnende Mechanik, beherrschen wollen, abhängig machen, objektivieren, gebrauchen und missbrauchen. Menschen werden wie Gegenstände behandelt, gebraucht und in die Ecke gestellt. Da er es aber längst geschafft hat, durch Manipulation Abhängigkeit zu schaffen, ist es enorm schwer oder fast unmöglich, in einer Beziehung von ihm loszukommen. Der/die andere hat ja nicht Mechanik (wie er), sondern Gefühl „investiert“. Dieses Gefühl führt eine gewisse Eigenständigkeit neben der berechnenden Mechanik des Partners, sodass es scheinbar unberührt ist vom Niedermachen, Ausgenützt Werden und seiner Machtausübung.

 

Borderliner

Dem Narzissten fehlt jegliche Empathie, er hat kein oder nur rudimentäres Gefühl, daher wird er beherrscht von Affekten (aus den älteren und tieferen Schichten des Gehirns), die er selbst als "Liebe" bezeichnet, und denen er selbst ausgeliefert ist. Das kann im Persönlichkeitsbild des Borderliners münden, der in die noch frühere Kindheitsphase der Entwicklung regrediert, zurückgefallen oder dort verblieben ist. Er ist den Vulkanausbrüchen aus den tieferen und älteren Schichten seines Unbewussten (Reptilienhirn)  ausgeliefert, was zu unvorhersehbaren Wutausbrüchen führt, deren Unberechenbarkeit den anderen zusätzlich verunsichert. Man weiß nie, wann der nächste Ausbruch stattfindet. Es gibt auch keinen logischen Auslöser, meist sind es Banalitäten. Ist die Eruption vorbei, kehrt beim Borderliner „Normalität“ ein, er tut, als ob nichts wäre – während der andere noch immer leidet, wenn schon der nächste Ausbruch am Programm steht.

 

Beziehung

Die Beziehung mit einem Narzissten ist fatal. Durch seinen Charme und Charisma geht man ihm leicht auf den Leim, und wenn er nach und nach seine Schattenseiten zeigt und seinen Charakter offenbart, ist es zu spät. Je mehr und öfter er ausrastet, desto mehr klammert man sich an die „positiven Seiten“. Er manipuliert durch sein Pendeln zwischen (gespielter) „Liebe“ und offenem Hass, was unsicher und abhängig macht. Er spielt mit den Grenzen der Partnerin, und schaltet sofort einen Gang zurück, wenn er merkt, er ist zu weit gegangen. Er stößt sie vom Sockel (auf dem nur er sein kann) und fängt sie auf, wenn er sie runtergestürzt hat. Was sie wieder interpretiert als „er liebt mich ja doch…“ Leider ist das alles nur Berechnung. Sie ist immer an der kurzen Leine.

 

 

Eine Beziehung mit einem Narzissten kann schon auch funktionieren, aber nur indem man sich selbst zurückstellt bis zur Selbstverleugnung, und ganz und gar nur für ihn lebt. Was allerdings eine sehr ungesunde Haltung ist. Die Frage ist dann allerdings auch, ob ihm das auf die Dauer nicht zu langweilig wird. Im Provozieren und Grenzen überschreiten liegt ja sein Lustgewinn. Er behandelt Menschen zwar wie Gegenstände und nicht wie Personen, aber ein gewisser Widerspruch, den er gewaltsam niedermachen kann, gehört schon zum Spiel…