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C. G. Jung: Mandala – Bilder aus dem Unbewussten

 

Das Buch fasst drei Aufsätze zum Thema Mandala zusammen:

 

„Zur Empirie des Individuationsprozesses“ berichtet vom Entwicklungsprozess einer akademisch gebildeten Dame aus den USA, die in ihrem Leben an einer Grenze angekommen und zum Stillstand gekommen war. Während einer Europareise begann sie zu zeichnen und zu malen – mit der Methode der aktiven Imagination. Sie habe gelernt, alles Vorher- und Besserwissen beiseite zu lassen und dem Unbewussten zu vertrauen.  Es entstanden Bilder eines Wandlungsprozesses, der einen Übergang ermöglicht, und längst im Unbewussten vorbereitet ist. Parallelen zur Alchemie und zu anderen Kulturen belegen die wirkenden Kräfte (Archetypen) aus dem kollektiven Unbewussten. Jung hat sich in Jahrelanger Arbeit davon überzeugt, dass Mandalas in allen Zeiten und Zonen gezeichnet, gemalt, in Stein gehauen und gebaut wurden, lange bevor sie in Träumen, Fantasien und Bildern heutiger KlientInnen auftauchen. 

 

„Über Mandalasymbolik“ gibt einen Überblick über Mandalas aus verschiedensten Kulturen. Dabei geht es gar nicht darum, welche Kultur welche andere beeinflusst hat, sondern darum, dass alle aus derselben Quelle, nämlich der menschlichen Psyche mit seinem Unbewussten schöpfen. Das Mandala ist der Archetypus des Selbst oder der Mitte und Ganzheit, die Bewusstes und Unbewusstes umfasst. Mandalas sind im Osten traditionell geprägt mit wenigen individuellen Merkmalen. Sie werden als Yantras für Meditationen verwendet, die das Ich durch Zentrierung auf das Selbst (Atma oder Purusha) ausrichten sollen. Im Westen gibt es mehr Variationen, aber das archetypische Grundmuster ist immer dasselbe. Jung schreibt: „Unser Fall zeigt mit seltener Deutlichkeit die Spontaneität des seelischen Prozesses und die Verwandlung einer persönlichen Situation in das Problem der Individuation, das heißt der Ganzwerdung des Individuums, welche die Antwort auf die große zeitgenössische Frage stellt: Wie kann das vorgeprellte allerjüngste Bewusstsein mit dem zurückgebliebenen Allerältesten, dem Unbewussten, wieder verbunden werden? Das Allerälteste ist die Instinktgrundlage. Wer die Instinkte übersieht, der wird von ihnen aus dem Hinterhalt überwältigt, und wer sich nicht selbst erniedrigen kann, der wird erniedrigt, wobei er auch die Freiheit, sein kostbarstes Gut, mit einbüßt.“

 

„Mandalas“ geht auf die Funktion der Mandalas im individuellen Leben ein. Die Bilder treten meist in Zeiten der psychischen Dissoziation und Desorientierung auf und geben einen Impuls zur Neuordnung. Die Ordnung der Bilder kompensiert die Unordnung und Verwirrung eines solchen psychischen Zustandes. Jung bezeichnet das als „Selbstheilungsversuch der Natur“. Ziel der Dynamik der Mandalas ist der Weg vom Ich zum Selbst. Wobei in den östlichen Kulturen zwischen der menschlichen und göttlichen Essenz nicht unterschieden wird (atman = brahman), aber auch in den westlichen Mandalas ist der Seelenfunke (scintilla) die innerste, göttliche Essenz des Menschen. Es darf gefragt werden, was der Begriff „göttlich“ bedeutet? Jedenfalls haben Mandalas eine therapeutische Wirkung, sei es durch das Gestalten von Mandalas, sei es durch das Meditieren auf solche.

Fazit: Der Band ist eine sehr gelungene Zusammenstellung zum Thema Mandalas und Individuation. Ebenso zu den Archetypen im Allgemeinen und zur Aktiven Imagination.

 

 

C. G. Jung

MANDALA

Bilder aus dem Unbewussten

Edition C.G. Jung, Patmos Verlag 2021

Neuausgabe der 11. Auflage des 1995 im Walter Verlag veröffentlichten gleichnamigen Titels. Gebunden, 208 Seiten, zahlr. Abb.

ISBN: ‎ 978-3843613507

EUR 26,00